Das Augsburger Staatstheater
Architektonische Verbindung zu Odesa
Was haben die alte bayerische Stadt Augsburg und Odesa, das „südliche Palmira“ der Ukraine, gemeinsam?
Zwei Städte, die auf den ersten Blick unterschiedlicher kaum sein könnten – mit je eigener Geschichte, Geografie, Sprache und Kultur – sind doch wie mit einem faszinierenden architektonischen Faden verbunden, nämlich die Geschichte der Stadttheater in beiden Städten.
Beide Theater wurden von einem der führenden Wiener Architekturbüros des 19. Jahrhunderts entworfen: Fellner & Helmer, gegründet von zwei Freunden – Ferdinand Fellner (1847-1916) und Hermann Helmer (1848-1919), die sich auf den Bau städtischer Theater spezialisiert hatten.
Das Staatstheater in Augsburg befand sich ursprünglich nicht an dem Ort, den wir heute kennen. Die damalige Bühne war am Lauterlech gelegen. Am 22. März 1874 brach dort ein verheerendes Feuer aus – eines der bedeutendsten Theaterbrände des 19. Jahrhunderts – das Gebäude wurde schwer beschädigt. Zwei Jahre später, 1876, beschloss der Stadtrat den Neubau eines Theaters an einem neuen Standort.
Das neue Gebäude, das sich am nördlichen Ende der Fuggerstraße befindet, wurde im Stil der Neorenaissance von Fellner & Helmer entworfen und am 26. November 1877 feierlich eröffnet. Es bot Platz für 1.400 Menschen.
Prächtige Fassaden, Symmetrie, monumentale Treppen, Kuppeln, Giebel mit Stuckelementen verbanden sich mit einem funktionalen Innenraum. Das Interieur war reich geschmückt mit ornamentaler, figürlicher und allegorischer Malerei und Skulptur. Überall konnte man Darstellungen der Musen sehen. Im Erdgeschoss standen korinthische Säulen sowie Statuen von Goethe und Schiller, über denen Reliefs von Mozart und Beethoven angebracht waren.
Leider wurde das Gebäude in der Zeit des Dritten Reiches erheblich verändert. Die ursprüngliche Pracht dieses Theaters des 19. Jahrhunderts lässt sich heute nur noch auf alten Postkarten oder in historischen Büchern nachvollziehen.
Eine andere Geschichte erzählt das Gebäude der Nationalen Akademischen Oper und des Balletts von Odesa. Das erste Opernhaus in Odesa, 1810 erbaut, wurde 1873 durch ein Feuer zerstört. Die Stadt verlor ihre wichtigste Bühne. In dieser Zeit war Odesa ein bedeutendes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum und eine internationale und weltoffene Stadt. Der Neubau des Theaters wurde durch die Stadtverwaltung zur Priorität erhoben. Ein Architekturwettbewerb wurde ausgeschrieben – doch die eingereichten Entwürfe konnten die Jury nicht überzeugen. Odesa strebte nach einem Theater von europäischem Format. Daher war schließlich die Wahl des renommierten Büros Fellner & Helmer, das sich bereits durch Theaterbauten in Wien, Zagreb, Budapest, Lemberg und anderen Städten einen Namen gemacht hatte, nur folgerichtig.
Die österreichischen Architekten nahmen den Auftrag an und 1883 begannen die Bauarbeiten. Das Projekt war im Stil des Wiener Barock mit Elementen der italienischen Renaissance gehalten – opulent, theatralisch, ein wahres Gesamtkunstwerk.
Am 1. Oktober 1887 wurde das neue Theater eröffnet. Es ist ein architektonisches Meisterwerk seiner Zeit, das bis heute zu den schönsten Opernhäusern der Welt zählt. Besonders hervorzuheben ist die Akustik: Selbst ein Flüstern auf der Bühne ist bis in die letzten Reihen hörbar.
Alle Theaterbauten dieses Architekturbüros zeichnen sich durch luxuriöse Innenräume mit Marmor, Goldverzierungen, Skulpturen und Fresken aus. Sie sind nicht nur architektonische Juwelen, sondern auch Zeugnisse eines regen kulturellen Austauschs und gemeinsamer europäischer Geschichte am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts.
Ukrainische Spuren in Augsburg
- Das Familienporträt Fidelis Butsch im Maximilianmuseum – Eine Geschichte der Familienreise in die Ukraine
- Das Silber im Maximilianmuseum – Augsburger Meisterwerke und ihr Weg in die Ukraine
- Die Halle 116 – Ein Ort der Verantwortung und des Erinnerns
- Somme-Kaserne Augsburg – Zentrum der ukrainischen Emigration nach 1945
- Das Augsburger Staatstheater – Architektonische Verbindung mit Odesa
- Das Weberhaus – Brücke zur frühen Geschichte der Ukraine
- Der Westfriedhof – Das Grab des ukrainischen Dichters Juri Klen
Ansprechperson
Maria Issinskaya
Russischsprachige, ukrainische Inhalte
Das Projekt „Meine Stadt – meine Geschichte“ beschäftigt sich mit der Ausarbeitung und Digitalisierung der migrantisch geprägten Stadtführungen und ist Teil von DIWA 4.0. Das EU-geförderte Projekt DIWA 4.0 unter der Leitung des Büros für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg setzt sich aktiv für die gleichberechtigte Teilhabe Neuzugewanderter und ein respektvolles Miteinander ein. Mehr Informationen: augsburg.de/diwa



