Dach der Halle 116. Foto: Alexander Yarmak

Die Halle 116

Ein Ort der Verantwortung und des Erinnerns

„Der Mensch gewöhnt sich an alles – aber fragen Sie uns nicht, wie.“ ~ Viktor E. Frankl

Dachau, Auschwitz, Buchenwald – diese Namen durchdringen das Herz und die Seele eines jeden Menschen mit schmerzhaftem Leid. Vor dem inneren Auge erscheinen sofort Bilder von hungernden, durch schwere Arbeit erschöpften Menschen, Leichenbergen, gefolterter Häftlinge, Baracken und Krematorien. Neben den großen Konzentrationslagern gab es in Deutschland ebenso wie die besetzten Gebiete zahlreiche Außenlager. Das Konzentrationslager Dachau verfügte über 140 solcher Außenlager.

Karte Außenlager Dachau © Stadt Augsburg

Karte Außenlager Dachau © Stadt Augsburg

Auch das heute als „Halle 116“ bekannte Gebäude gehörte zum System der Außenlager.

Ursprünglich wurde dieses Gebäude 1937 als Teil der Luftnachrichtenkaserne errichtet und diente als Fahrzeughalle. Im Mai 1944 wandelten es die Nationalsozialisten in ein Außenlager des KZ Dachau um, ausgestattet mit Kommandantur, Krankenrevier und Unterkünften für Wachmannschaften. Die Halle wurde mit Stacheldraht vom restlichen Kasernengelände abgetrennt und im Inneren in Blöcke unterteilt.

Nach dem Scheitern des Blitzkriegs gegen die Sowjetunion im Jahr 1942 verlängerte sich der Krieg und es herrschte ein Mangel an Arbeitskräften in der Rüstungsindustrie. Die Nationalsozialisten setzten daher vermehrt Zwangsarbeiter in ihren Fabriken ein. Die logistische Herausforderung, Häftlinge täglich zu weit entfernten Industrieanlagen zu bringen, wurde durch ein Netz von Außenlagern gelöst.

Die Industrieunternehmen in Augsburg spielten eine bedeutende Rolle in der Rüstungsproduktion für die Wehrmacht. Hier wurden Uniformstoffe, Mullbinden, Zelte, Rucksäcke, Werkzeuge und Teile für verschiedene militärische Ausrüstungen hergestellt. Die wichtigsten Lieferanten waren jedoch die Werke der MAN und der Messerschmitt AG. Zwischen 1942 und 1944 wurde über die Hälfte der deutschen Jagdflugzeuge von der Messerschmitt AG in Augsburg produziert. Das erste und größte Außenlager für Zwangsarbeiter wurde 1943 in Haunstetten eingerichtet, wo die Häftlinge hauptsächlich für die Messerschmitt AG arbeiteten. Im April 1944 wurde dieses Lager durch einen amerikanischen Bombenangriff weitgehend zerstört, wobei viele Häftlinge ums Leben kamen.

Zwangsarbeiter des Messerschmidt-Konzerns © Archiv der KZ Gedenkstätte Dachau

Zwangsarbeiter des Messerschmidt-Konzerns © Archiv der KZ Gedenkstätte Dachau

Im Mai 1944 wurden die überlebenden Häftlinge aus dem zerstörten Lager in Haunstetten in die Fahrzeughalle auf dem Gelände der Luftnachrichtenkaserne in Pfersee verlegt, die heute als „Halle 116“ bekannt ist. Da dieses neue Lager sieben Kilometer vom Messerschmitt-Werk in Haunstetten entfernt war, mussten die Häftlinge täglich diese Strecke entweder zu Fuß durch die Stadt oder mit der lokalen Eisenbahn zurücklegen. Viele Stadtbewohner*innen sahen täglich diese Kolonnen erschöpfter, müder Menschen vorbeimarschieren.

Das Lager in Pfersee, also die „Halle 116“, war ein Männerlager. Von Mai 1944 bis April 1945 wurden dort bis zu 4.000 Männer zur Arbeit gezwungen, wobei gleichzeitig etwa 2.000 Häftlinge dort untergebracht waren. D ie Lebens- und Arbeitsbedingungen waren hart: 10- bis 12-stündige Arbeitsschichten, unzureichende Ernährung und völlige Vernachlässigung der sanitären Bedingungen. Die Halle wurde in acht Blöcke unterteilt, in denen mehrstöckige Betten aufgestellt waren, um möglichst viele Menschen unterzubringen. Für 2.000 Personen gab es nur eine Toilette und eine Dusche. Krankheiten ließen nicht lange auf sich warten. Im Frühjahr 1945 brach im Lager eine Typhusepidemie aus, doch die Kranken wurden nicht behandelt. Sie wurden einfach in einem separaten Sektor isoliert. Diejenigen, die schwer erkrankt oder bereits völlig erschöpft und schwach waren, wurden nach Dachau gebracht – dorthin, wo es ein Krematorium gab.

Die genaue Anzahl der Verstorbenen lässt sich nicht genau bestimmen, abgesehen von 74 Todesfällen, die 1945 vom Standesamt Augsburg registriert wurden. Offensichtlich waren es jedoch viel mehr Häftlinge, die auf dem Weg, in der Fabrik oder in anderen Lagern zu Tode kamen.
Die Namen aller 4.000 Häftlinge, die im Lager gearbeitet haben, sind heute auf Plakaten des Gedenkorts verzeichnet. Sie stammen aus 20 Ländern, wobei die meisten aus Polen, der Sowjetunion (hauptsächlich aus der Ukraine), Frankreich, Jugoslawien und Italien kamen.

Als sich die Alliierten näherten, begannen die Nationalsozialisten am 21. April 1945 mit der Evakuierung des Lagers . Fast 1.000 Häftlinge wurden zu Fuß Richtung Südwesten nach Kaufering, etwa 30 km von Augsburg entfernt, getrieben. Diejenigen, die sich nicht selbstständig fortbewegen konnten, wurden ins Hauptlager Dachau gebracht. Nach einigen Tagen wurde dieser „Todesmarsch“, auf dem 26 Häftlinge starben, von der amerikanischen Armee gestoppt. Die Stadt Augsburg kapitulierte am 28. April.

Nach dem Ende des Krieges am 8. Mai 1945 nutzten die amerikanischen Streitkräfte dieses Gebäude weiterhin. Übrigens stammt der heutige Name „Halle 116“ von den Amerikanern, die die Gebäude einfach nummerierten. Zu verschiedenen Zeiten befanden sich hier eine Garage, eine Reparaturwerkstatt und eine Bibliothek. An der Seitenwand des Gebäudes gab es sogar ein Fast-Food-Restaurant, in dem man echte amerikanische Burger probieren konnte.

Vorstadt: Sheridan-Kaserne, 1970er © Vereinsarchiv Amerika in Augsburg e.V.

Vorstadt: Sheridan-Kaserne, 1970er © Vereinsarchiv Amerika in Augsburg e.V.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 beschlossen die USA, ihre Truppen abzuziehen. Die amerikanischen Streitkräfte verließen Augsburg endgültig im Jahr 1998. Nach dem Abzug der amerikanischen Soldaten aus der Sheridan-Kaserne in Pfersee wurden die meisten Gebäude des Kasernenkomplexes abgerissen. Auf Initiative der lokalen Bevölkerung kaufte der Augsburger Stadtrat jedoch dieses Gebäude mit dem Ziel, dort einen Erinnerungs- und Lernort zu errichten. Seit 2020 gehört das Gebäude der Stadt und beherbergt eine Ausstellung über die dunklere Zeit der Augsburger Stadtgeschichte.


Das Projekt „Meine Stadt – meine Geschichte“ beschäftigt sich mit der Ausarbeitung und Digitalisierung der migrantisch geprägten Stadtführungen und ist Teil von DIWA 4.0. Das EU-geförderte Projekt DIWA 4.0 unter der Leitung des Büros für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg setzt sich aktiv für die gleichberechtigte Teilhabe Neuzugewanderter und ein respektvolles Miteinander ein. Mehr Informationen: augsburg.de/diwa

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