Der Augsburger Dom
Zwischen Krieg und Kulturerbe: Warum eine osmanische Fahne im Dom hängt

Türkische Fahne: 2025; Foto: Alexander Yarmak
Wer den Augsburger Dom durch das Nordportal betritt, entdeckt im Chorgang ein ungewöhnliches Objekt: eine osmanische Fahne.
Die Fahne stammt aus dem Jahr 1689 und wurde im Krieg von Nis – im heutigen Serbien – von osmanischen Truppen erbeutet. Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden (1655–1707), bekannt als „Türkenlouis“ für seine militärischen Erfolge gegen das Osmanische Reich, brachte sie als Kriegsbeute nach Augsburg. Das Erbeuten einer Fahne galt damals als militärischer Triumph und moralischer Sieg. Als Zeichen dieses Erfolgs wurde sie am 21. Oktober 1689 im Dom aufgehängt – ein Brauch, der in vielen Kirchen jener Zeit üblich war.
Die Fahne ist in Lila, Gold, Grün und Schwarz gehalten. Sie trägt arabische Inschriften: das islamische Glaubensbekenntnis und Verse aus dem Koran. Auf der einen Seite steht:
„Es gibt keinen Gott außer Gott, und Muhammad ist sein Prophet.“
Auf der anderen Seite:
„Muhammad – Gottes Segen und Frieden sei mit ihm – ist der Gesandte Gottes. Mit Gottes Hilfe ist der Sieg der Gläubigen.“
Da die Fahne im Laufe der Jahrhunderte beschädigt wurde, fertigte man 1992 eine originalgetreue Kopie an, die heute an ihrem Platz im Dom hängt.
Der Augsburger Dom selbst ist eines der bedeutendsten historischen Bauwerke der Stadt. Er wurde im 11. Jahrhundert errichtet und im Laufe der Jahrhunderte mehrfach erweitert: gotische Elemente kamen im 14. Jahrhundert hinzu, der Innenraum wurde im 17. Jahrhundert barock umgestaltet, im 19. Jahrhundert teilweise wieder dem mittelalterlichen Erscheinungsbild angenähert. Besonders bemerkenswert sind die fünf bunten Prophetenfenster aus dem 12. Jahrhundert – die ältesten ihrer Art weltweit.

Bronzetür in Hagia Sophia, 2009; Quelle: Wikipedia

Bronzetür, 2006; Quelle: Wikipedia
Ein weiteres Detail verbindet Augsburg mit Istanbul: Das bronzene Portal am Südeingang des Augsburger Doms, heute im Diözesanmuseum, weist Ähnlichkeiten mit den Türen der Hagia Sophia auf. Beide Portale bestehen aus Bronze und markieren den Übergang vom weltlichen zum sakralen Raum. Während das Augsburger Portal biblische Szenen zeigt, schmücken die Türen der Hagia Sophia byzantinische Ornamente. Diese Gemeinsamkeiten lassen sich auf römische Einflüsse zurückführen, die sowohl in Augsburg als auch in Istanbul wirksam wurden.
So wird sichtbar: Trotz geografischer Entfernung sind Augsburg und Istanbul durch ein gemeinsames kulturelles Erbe verbunden, das bis in die römische Antike zurückreicht – eine Verbindung, die sich sowohl in der Architektur als auch in den erhaltenen Kunstwerken und Relikten spiegelt.
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Das Projekt „Meine Stadt – Meine Geschichte“ beschäftigt sich mit der Ausarbeitung und Digitalisierung der migrantisch geprägten Stadtführungen und ist Teil von DIWA 4.0. Das EU-geförderte Projekt DIWA 4.0 unter der Leitung des Büros für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg setzt sich aktiv für die gleichberechtigte Teilhabe Neuzugewanderter und ein respektvolles Miteinander ein. Mehr Informationen: augsburg.de/diwa
