Das Höhmannhaus
Von der versklavten Osmanin zur Gräfin – eine ungewöhnliche Liebesgeschichte in Augsburg

Maria Anna Augusta Coelestina Fatma vor dem Spiegel; Quelle: Wikipedia

Das Höhmannhaus in der Maximilianstraße 48 zeugt von einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte zwischen einem Grafen und einer versklavten Osmanin. Fatma (1662–1755) war die Tochter eines osmanischen Paschas, das heißt eines hochrangigen Beamten, und Gerüchten zufolge sogar die Enkelin eines Sultans. 1686 wurde sie im Krieg gegen die Osmanen in Budapest gefangen genommen. Zunächst ging sie in den Besitz des Generalfeldmarschalls Hermann Markgraf von Baden (1642–1699) über, später wurde sie an dessen Neffen Ludwig Wilhelm von Baden (1655–1707), bekannt als „Türkenlouis“ wegen seiner militärischen Erfolge gegen das Osmanische Reich, übergeben und wie viele andere osmanische Gefangene getauft.
Sie erhielt den Namen Maria Anna Augusta Coelestina Fatma.

Porträt von Friedrich Magnus von Castell-Remlingen; Quelle: Wikipedia
Friedrich Magnus von Castell-Remlingen (1655–1717) lebte weit entfernt von seinem Haus in Franken und von seiner Frau Susanna Johanna zu Oettingen. Graf Castell verliebte sich in Augusta Fatma kaufte sie von Baden und kam 1708 nach Augsburg, wo er das Höhmannhaus inklusive der Bediensteten, darunter auch ein osmanischer Diener, erwarb.
Augusta Fatma war nicht nur schön und intelligent, sondern auch für ihre humorvollen Gespräche und starken zwischenmenschlichen Beziehungen bekannt. Sie hatte gute Verbindungen zur Frau des bayerischen Kurfürsten Maximilian II. Emanuel (1662-1726), zur Fugger-Familie und zu Mitgliedern des Hauses Habsburg. Sie machte das Höhmannhaus zu einem beliebten Ort für unterhaltsame Abendgesellschaften. 1714, nachdem seine Frau gestorben war, heiratete Graf Castell Augusta Fatma, die so im Alter von 50 Jahren Gräfin von Castell-Remlingen wurde. Graf Castell schenkte ihr das Höhmannhaus. Überlieferungen zufolge brachte Augusta Fatma dem hoch verschuldeten Grafen eine reiche Mitgift und erlangte so auch offiziell das Erbrecht.
Als Graf Castell 1717 starb, sah sich Augusta Fatma der Feindseligkeit der Familie ihres Mannes ausgesetzt und musste um ihr Erbe kämpfen. Einige Jahre später, 1726, zog sie in das kleine Kloster Markdorf am Bodensee und spendete dem Kloster eine große Summe. Durch ihre Spende wurde sie eine der größten Wohltäterinnen und zog in das Kloster. Sie lebte dort insgesamt 29 Jahre. 1755 starb sie im Alter von 93 Jahren und wurde im Garten des Klosters beigesetzt.
Das Leben von Augusta Fatma ist ein Beispiel für die historischen Verbindungen zwischen dem Osmanischen Reich und Europa, die zwar aus Krieg entstanden, aber im Höhmannhaus eine Liebesgeschichte hervorbrachten. Heute gehört das Gebäude der Stadt und wird teilweise als Kunstgalerie genutzt.
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Das Projekt „Meine Stadt – Meine Geschichte“ beschäftigt sich mit der Ausarbeitung und Digitalisierung der migrantisch geprägten Stadtführungen und ist Teil von DIWA 4.0. Das EU-geförderte Projekt DIWA 4.0 unter der Leitung des Büros für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg setzt sich aktiv für die gleichberechtigte Teilhabe Neuzugewanderter und ein respektvolles Miteinander ein. Mehr Informationen: augsburg.de/diwa
