Die St. Anna
Augsburgs evangelisches Zentrum und eine Brücke nach Russland

Grabplatte Christophorus Peterson von Ignaz Ingerl. Foto Maria Issinskaya
Die Kirche St. Anna gilt als Zentrum des evangelischen Glaubens in Augsburg. Auch der Kirchenreformator Martin Luther (1483-1546) hielt sich einst im damaligen Karmeliterkloster auf. Mit der Fuggerkapelle entstand hier der erste Renaissancebau nördlich der Alpen, an dessen Planung der wichtigste Künstler Deutschlands Albrecht Dürer (1471-1528) beteiligt war. Doch was verbindet St. Anna mit Russland?
Bis ins 19. Jahrhundert wurden auf dem Gelände rund 5000 Bestattungen durchgeführt. Damit war St. Anna der größte Friedhof Augsburgs. Nach dem Westfälischen Frieden 1648 nach dem Dreißigjährigen Krieg zählte er zu den wenigen protestantischen Begräbnisstätten in der Nähe von München. In den 1960er Jahren brachte man zahlreiche Grabplatten in den Kreuzgang. Zwischen dem Eingang in die Kirche und der Treppe ins Museum, genannt “Lutherstiege”, entdeckt man eine davon. Sie ist geschmückt mit einem Doppeladler.
Sie gehört Christoph von Peterson (1735–1789), einem in Kiel geborenen Diplomaten, der seit 1744 in russischen Diensten stand. Er nahm an zahlreichen Schlachten unter Katharina II. teil und wirkte lange Zeit als Gesandter in Konstantinopel. Ab 1779 war er diplomatischer Vertreter des Zarenreichs in Danzig und später in München.
Die reich verzierte Platte schuf der Augsburger Bildhauer Ignaz Ingerl (1751–1800) im Auftrag von Petersons Sohn Alexander (1759–1825), ebenfalls russischer Offizier. Alexanders Witwe, Emilia Eleonore Sophie Louise Christine Gräfin von Bothmer (1800–1838), heiratete nach dem Tod ihres ersten Mannes in München einen jungen russischen Gesandten – niemand geringeren als den in Russland wohl bekannten Dichter Fjodor Tjuttschew (1803–1873).
So verbindet eine einzige Grabplatte in St. Anna Augsburg nicht nur mit Russland, sondern – durch Liebe und Tod – auch mit der russischen Literatur.
Russischsprachige Spuren in Augsburg
- Der Königsplatz – Geschichten aus Bronze, Migration und einem verschwundenen Stadttor
- Der Rathausplatz – Als Moskowiten in Augsburg eintrafen
- Das Schaezlerpalais – Kunst zwischen Augsburg und dem Zarenhof
- Die Stadtmetzg – Wie die Kunst Verbindungen schuf
- Die St. Anna – Augsburgs evangelisches Zentrum und eine Brücke nach Russland
- Das Maximilianmuseum – Augsburger Goldschmiedekunst und ihre Spuren im Russischen Reich
- Die Halle 116 – Ein Ort der Verantwortung und des Erinnerns
Ansprechperson
Maria Issinskaya
Russischsprachige, ukrainische Inhalte
Das Projekt „Meine Stadt – Meine Geschichte“ beschäftigt sich mit der Ausarbeitung und Digitalisierung der migrantisch geprägten Stadtführungen und ist Teil von DIWA 4.0. Das EU-geförderte Projekt DIWA 4.0 unter der Leitung des Büros für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg setzt sich aktiv für die gleichberechtigte Teilhabe Neuzugewanderter und ein respektvolles Miteinander ein. Mehr Informationen: augsburg.de/diwa


