Das Familienporträt Fidelis Butsch im Maximilianmuseum
Die Geschichte einer Familienreise in die Ukraine
Das Bild ist ein Familienporträt des Augsburger Antiquariatsbuchhändlers Fidelis Butsch (1805-1879).

Familienbild des Fidelis Butsch, Liberat Hundertpfund, 1837, Kunstsammlungen und Museen Augsburg
Wir sehen eine junge und schon wohlhabende Familie, die sich offenbar das Porträt von einem Künstler im Jahr 1837 leisten konnte. In dieser Zeit war es nicht einfach, ohne väterliche Unterstützung Vermögen zu bilden. Fidelis Butsch hat es durch eigene Hände geschafft. Nach der Niederlassung in Augsburg 1835 war er zuerst als Geschäftsführer bei einem Antiquar tätig, übernahm 1839 die Firma und machte sie zu einem der bedeutendsten Antiquariate in Deutschland.
Fidelis Butsch hatte eine interessante Familiengeschichte: Seine Eltern verließen ihn im Alter von zwölf Jahren und begannen ein neues Leben in einem unbekannten Land. 1817 waren sein Vater und seine Mutter mit vier anderen Kindern nach Katharinenthal in den südrussischen Gouvernement Cherson (heute Ukraine) ausgewandert. Sie waren sogenannte Russlanddeutsche – angeworbenen Kolonisten, die zur Kultivierung und Besiedlung der bestimmten Teile des Russischen Reiches „berufen“ worden waren.
Für die gezielte Urbarmachung und Besiedlung der wenig erschlossenen Gegenden wurden ausländische Kolonist*innen in der Zeit von Kaiserin Katharina II. (1729-1796) eingeladen. Seitdem wanderten viele Deutsche nach Russland aus und siedelten sich neben Saratow, Wolga und im Schwarzmeergebiet an. Dafür wurden viele deutsche Kolonien im Ausland gegründet. Diesen Siedelnden wurden zahlreiche Rechte und Vergünstigungen versprochen: kostenlose Zuteilung von Land, freie Steuerjahre, interne Selbstverwaltung, Befreiung vom Militärdienst, Recht auf freie Berufs- und Religionswahl. Es schien attraktiv für den Deutschen aus Kleinstaaten, die damals unter Überbevölkerung, wirtschaftlicher Not und Folgen des Siebenjährigen Krieges litten.
Unter anderen Umsiedlern wanderten die Familie Butsch in die neu gegründete Siedlung Katharinental ein, heute – Katerynivka im Mykolajiw Gebiet der Ukraine.
Erst 1871, nach mehr als 50-jähriger Trennung, besuchte Fiedelis Butsch seine Verwandte im Katharinental. Dank seiner Frau Albertine Butsch haben wir heute einen wertvollen Bericht über diese Reise in die Südukraine. Sie hat alles in ihren „Erinnerungen aus einer Reise über die westlichen Grenzen des Orients“ dokumentiert. Die Reise ging erst nach Wien, dann durch Ungarn, Serbien und Rumänien bis Tulcea, von dort mit dem Schiff nach Odesa und Mykolaijw.
In der Tat herrschten in den südukrainischen Ländern, die damals dem Russischen Reich gehörten, Multikulturalität und Multikonfessionalität, wie auch Völker- und Sprachvielfalt.
Als multikulturelle Handelsmetropole beschrieb Albertine Butsch die damalige Stadt Odesa, wo sie unter anderem eine katholische und eine griechische Kirche sowie das Denkmal des Fürsten Woronzow (1792-1896) gesehen hat.
Mykolajiw beschreibt sie so:
„Nikolajew ist ein Hauptstapelplatz für Getreide und alle sonstigen Landesprodukte. Es ist eine der bedeutenden Städte des Gouvernements Cherson, hat nahezu 50 000 Einwohner und ist der Sitz eines griechischen Bischofs. Alles trägt jedoch, wie so vieles auch in Odessa, jenen primitiven, gewissermaßen amerikanischen Charakter …“.
Sie erzählt auch über Sauerkrautsuppe – Borsezt (gemeint ist wahrscheinlich Borschtsch) und über würzige Krimweine, über den Samowar, über herrliches Roggenbrot, weißes Gebäck, süße Butter, lokalen Schnaps – Nawotka und Branntwein.
Wahrscheinlich befindet sich das Porträt der Familie Butsch im Maximilianmuseum, denn nämlich der einzige Sohn dieser Familie, Albert Fidelis Butsch (1839-1917) war zum Philologen und Kunstsammler geworden und hat seine hochwertige Porzellansammlung der Stadt Augsburg verkauft. Seit 1909 bildet diese Butschschen Sammlung einen wichtigen Anziehungspunkt für die Besucher des Maximilianmuseums.

Illustration der Synagoge in Odesa, Fotografie bis 1906, Quelle: Brockhaus and Efron Jewish Encyclopedia
Ukrainische Spuren in Augsburg
- Das Familienporträt Fidelis Butsch im Maximilianmuseum – Eine Geschichte der Familienreise in die Ukraine
- Das Silber im Maximilianmuseum – Augsburger Meisterwerke und ihr Weg in die Ukraine
- Die Halle 116 – Ein Ort der Verantwortung und des Erinnerns
- Somme-Kaserne Augsburg – Zentrum der ukrainischen Emigration nach 1945
- Das Augsburger Staatstheater – Architektonische Verbindung mit Odesa
- Das Weberhaus – Brücke zur frühen Geschichte der Ukraine
- Der Westfriedhof – Das Grab des ukrainischen Dichters Juri Klen
Ansprechperson
Maria Issinskaya
Russischsprachige, ukrainische Inhalte
Das Projekt „Meine Stadt – meine Geschichte“ beschäftigt sich mit der Ausarbeitung und Digitalisierung der migrantisch geprägten Stadtführungen und ist Teil von DIWA 4.0. Das EU-geförderte Projekt DIWA 4.0 unter der Leitung des Büros für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg setzt sich aktiv für die gleichberechtigte Teilhabe Neuzugewanderter und ein respektvolles Miteinander ein. Mehr Informationen: augsburg.de/diwa

