Das „Haus Tür an Tür“
Alfred-Nobel-Straße 6 in Augsburg
Lange vorbereitet, schnell gebaut.
Viele Familien und Alleinerziehende suchen in Augsburg lange und oft vergeblich nach geeignetem Wohnraum. Das „Europadorf“ in Hochzoll ist durchgehend belegt. Mieterwechsel sind selten. Christine Kamm, ehrenamtliche Geschäftsführerin der Tür an Tür – miteinander wohnen und leben gGmbH, suchte deshalb schon lange nach einem größeren Altbau oder einem Grundstück für ein zweites großes soziales Wohnprojekt. Immer wieder scheiterten mögliche Projekte. Gemeinsam mit der Siedlungsgenossenschaft Firnhaberau wurde schließlich ein städtisches Baugrundstück auf dem Gelände der ehemaligen Flak-Kaserne gefunden.
Beide Bauherren wollten trotz der Krise im Wohnungsbau dringend benötigten Wohnraum schaffen und durch partnerschaftliche Zusammenarbeit ein gutes Angebot erzielen und die Baukosten senken. Die Finanzierungsbedingungen für kleinere Wohnungsunternehmen mit innovativen Ideen und Baugruppen waren und sind bis heute schwierig und sehr herausfordernd.
In einem Workshop am 21.02.2020 entwickelten engagierte Haupt- und Ehrenamtliche ein erstes Konzept für das „Haus Tür an Tür“. Das Bauprojekt richtet sich an sozial benachteiligte Menschen, soll soziale Angebote machen und dafür sorgen, dass eine bunt gemischte Mieterschaft in guter Nachbarschaft zusammenlebt.
Nachdem wir am 28.12.2021 das Baugrundstück in der Alfred-Nobel-Straße 6 in der Nähe des Universitätsklinikums in Erbpacht erhalten hatten, begann die gemeinsame Planungsphase mit der Siedlungsgenossenschaft Firnhaberau und bald darauf der Bau. Die serielle Holzbauweise über der Tiefgarage, die wir mit unserem Nachbarprojekt teilen, ermöglichte eine kurze Bauzeit. Vom Grundstückskauf am 28.12.2021 über die Planung, den Spatenstich am 20.1.2023, den Hebauf am 24.11.2023 und den Einzug der Mieter:innen im September und Oktober 2024 vergingen knapp 3 Jahre.
Die Finanzierung war ein Abenteuer
Wir wähnten uns – auch dank der damaligen Förderung für energieeffiziente Gebäude – finanziell auf der sicheren Seite. Die Programme für den KFW40-Standard“ sollten eigentlich mittelfristig weiterlaufen wie bisher. Leider wurde dieses wichtige Förderprogramm ohne Vorankündigung zum 24.1.2022 von der Bundesregierung aus Haushaltsgründen ersatzlos gestrichen. Damit wurde nicht nur unserem Projekt, sondern auch vielen anderen Bauvorhaben der Teppich unter den Füßen weggezogen. Zu diesem Zeitpunkt waren aber schon erhebliche Planungsmittel aufgelaufen, so dass es sinnvoll erschien, weiterzumachen. Unter unseren Mitgliedern fanden wir viele Unterstützer. Auch die Wohnbauförderung half uns.
Leider wurden bei den Erdarbeiten auf dem Baugrundstück, entgegen den vorherigen Zusagen der AGS (Augsburger Gesellschaft für Stadtentwicklung), massive Bodenbelastungen festgestellt. Diese zusätzlichen Arbeiten kosteten uns unerwartet 110.000 €. Nur ein kleiner Teil davon wird uns von der AGS erstattet.
Unser Haus ist sehr schön geworden und bietet eine hohe Wohnqualität. Mit 5.500 € pro Quadratmeter Wohnfläche liegen die Baukosten (ohne Grundstückskosten) im Rahmen. Dazu tragen auch die Darlehensregelungen des Freistaates Bayern bei. Hohe Zwischenfinanzierungskosten könnten vermieden werden, wenn die Darlehensraten schneller und nicht zu einem großen Teil erst nach vollständiger Fertigstellung des Bauvorhabens ausgezahlt würden. Gerade im sozialen Wohnungsbau sollten die Förderbestimmungen flexibler gestaltet werden. Gruppenwohnen, Wohngemeinschaften für Studenten oder Senioren und Gemeinschaftsräume sollten auch im sozialen Wohnungsbau gefördert werden.
Das Haus
Entstanden sind 18 Wohnungen auf 1.234 m² mit einem Mix aus kleinen bis sehr großen Wohnungen und einer Studierenden-WG. 17 Wohnungen sind sozial gebunden. Alle Wohnungen sind barrierefrei, eine der größeren Wohnungen ist rollstuhlgerecht. Die drei Wohnungen für größere Familien sind 108 m² groß, dazu kommen eine Wohnung mit 92 m², drei Wohnungen mit 79 m², vier Wohnungen mit 50 bis 60 m² und sechs Wohnungen mit 38,5 m². Jede Wohnung verfügt über eine Loggia oder einen Balkon.
Die Mieter:innen
Im Haus leben beim Erstbezug 45 Personen, davon 12 Kinder. Familien und Senior:innen, Alleinerziehende, Azubis, berufstätige Klinikumsmitarbeiter:innen, anerkannte Geflüchtete und Studierende teilen sich das Haus.
Soziale Räume
Im Erdgeschoss gibt es den offenen „Treff“, einen Gemeinschaftsraum mit 38 m² und einer umgebenden Terrasse, die von allen Mieter:innen genutzt werden können. Hier können auch kleinere Veranstaltungen stattfinden. Ein Spielplatz vor dem Treff rundet das Angebot ab. Ein spektakuläres soziales Extra ist die große Dachterrasse mit Blick über ganz Augsburg. Dort oben können die Mieter:innen in eigenen Hochbeeten gärtnern und den Aufenthalt in einer gläsernen Orangerie genießen. Weitere Begegnungsbereiche für die Mieter:innen bieten die Balkone auf drei Etagen des offenen Laubengangs und der kleine Garten mit Bäumen und etlichen Sitzgelegenheiten.
Ökologisch bauen
Das neue „Haus Tür an Tür“ erfüllt mit KFW40 EE vorbildliche Klima- und Umweltstandards. Die Holzbauweise bietet eine hohe Wohnqualität und reduziert den Ressourcenverbrauch sowie den CO2-Ausstoß. Auf zwei begrünten Dachflächen wird eine Solaranlage betrieben. Das Regenwasser verschwindet nicht in der Kanalisation, sondern wird gespeichert und genutzt. Geheizt wird mit Fernwärme. Ein Teil des Laubengangs ist über alle Geschosse begrünt.
Die Akteur:innen
Ermöglicht wurde das Projekt durch viele engagierte Menschen des Vereins „Tür an Tür“. Die Bauherr:innenschaft bilden zunächst Christine Kamm als ehrenamtliche Geschäftsführerin der „Tür an Tür – miteinander wohnen und leben gGmbH“ in Zusammenarbeit mit Matthias Schopf-Emrich, Anne Güller-Frey und Thomas Körner-Wilsdorf. Der Vereinsvorstand mit Ludwig Lier, Elena Manez Moya, Martin Stettnisch, Barbara Stocker und Stefan Wagner hat uns tatkräftig unterstützt. Unsere Architekten waren das Büro STREIDL – GILG – WOLFF.
Soziale Betreuung
Der Verein Tür an Tür beschäftigt seit September 2024 Peter Luibl als Sozialarbeiter. Er begleitet und berät die Mieter:innen, fördert ein gutes soziales Miteinander und koordiniert die Aktivitäten im „Treff“. Dort finden gemeinsame Aktionen der Bewohner:innen statt.
Unsere Förderer:innen
Für das Haus gab es öffentliche Zuschüsse und Darlehen für den sozialen Wohnungsbau. Ohne unsere privaten Spender:innen und Kreditgeber:innen wäre das Projekt aber nicht möglich gewesen. Insgesamt wurden etwa 1,7 Mio. Euro von Unterstützer:innen als zinsgünstige oder zinsfreie Darlehen gegeben.
Unterstützt wurde das „Haus Tür an Tür“ auch von der „Dr. Ingeborg von Tessin und Marion von Tessin-Stiftung„, der „Hans und Anna Adlhoch-Stiftung„, der „Stiftung Grenzenlos Zusammenleben“ und den Fans des FC Augsburg.
Ihnen allen sagen wir ein herzliches Dankeschön!