Keine Abschiebungen nach Afghanistan!

Vereinsvorstand Thomas Körner-Wilsdorf spricht für Tür an Tür bei der Kundgebung am 17.12.16 auf dem Königsplatz

Wir demonstrieren hier gegen die rücksichtslose Abschiebung von Geflüchteten in das unsichere Afghanistan. Mit solchen Abschiebeaktionen wird auch getestet, wie die Öffentlichkeit auf eine sehr restrikitive Flüchtlingspolitik reagiert. Wir protestieren entschieden dagegen!

20161216 Demo

Als vorgestern 34 afghanische Männer nach Afghanistan abgeschoben wurden, war darunter auch ein 23jähriger Mann aus der Gemeinschaftsunterkunft in der Proviantbachstraße in Augsburg. Um 6.30 Uhr wurde er von der Polizei festgenommen und zum Flughafen nach Frankfurt gebracht. Gestern landete das Flugzeug in den frühen Morgenstunden in Kabul. Der Asylsozialberater der Unterkunft berichtet, dass der junge Mann einer der Engagiertesten war. Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Seit fünf Jahren lebte er in Deutschland. Jetzt stand sein Ausbildungsvertrag vor der Unterzeichnung, wobei ihn die Industrie- und Handelskammen Schwaben unterstützte. Am 2. Januar 2017 sollte er seine Ausbildung zum Lebensmitteltechniker im Landkreis Augsburg beginnen. Seine plötzliche Abschiebung entsetzt uns und alle seine Unterstützer. Ein zweiter afghanischer Geflüchteter aus Augsburg sollte gestern ebenfalls abgeschoben werden. Er konnte sich aber der Festnahme entziehen und ist untergetaucht. Insgesamt kamen acht der 34 abgeschobenen Afghanen aus Bayern.

Der politische und gesellschaftliche Druck auf Flüchtlinge in Deutschland nimmt in diesen Tagen spürbar zu. Die Angst von Ausweisung und Abschiebung wächst. Aktuell sind Geflüchtete aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ betroffen – in großer Zahl auch afghanische Flüchtlinge.

Die beiden „Asylpakete“ Ende 2015 und März 2016 und das „Integrationsgesetz“ vom August haben dafür die Voraussetzungen geschaffen. Ein Ziel dieser gesetzlichen Maßnahmen ist es, die Zahl der Geflüchteten in Deutschland durch schnellere Aufenthaltsbeendigung zu reduzieren. Im Blickfeld der zuständigen Ausländerbehörden stehen derzeit vor allem ausreisepflichtige, männliche afghanische Flüchtlinge. Die Ablehnung ihrer Asylanträge geht von zwei Annahmen aus. Erstens, es gebe sichere Gebiete in Afghanistan und zweitens, Abgeschobene seien in der Lage, dort ihren Lebensunterhalt zu sichern. Beide Annahmen sind völlig realitätsfremd.

Terror-Anschläge, Überfälle auf Sicherheitseinrichtungen und Entführungen sind in Afghanistan an der Tagesordnung.

Presseberichte bestätigen diese gefährliche Lage im Land. Deutsche Gesetzgeber schauen nach dem wenig erfolgreichen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan weg. Sie ignorieren die Realität und bringen Schutzsuchende erneut in Gefahr.

Mit dem deutsch-afghanischen Rückführungsabkommen vom Oktober wurden auch finanzielle Hilfen für den afghanischen Staat vereinbart, wenn die afghanische Regierung, unbürokratisch die Pass- und Reisepapiere ausstellt, die für eine Abschiebung von Geflüchteten erforderlichen sind. Die Kooperationsbereitschaft der afghanischen Regierung wurde so „gekauft“. Der aktuelle Abschiebeflug stehen in Zusammenhang mit dieser Vereinbarung und sollen ein politisches Zeichen setzen. Sie haben zum Ziel, die Geflüchteten und den Menschen, die noch auf dem Weg von Afghanistan nach Europa sind, die Hoffnung auf eine Bleibeperspektive zu nehmen. Das ist eine schäbige Strategie!

Tatsächlich ist die Zahl der mit der afghanischen Regierung vereinbarten Abschiebeflüge begrenzt. Der Rückführungsprozess von mehreren tausend Geflüchteten nach Afghanistan würde Jahre dauern. Viel effektiver erscheint es den Verantwortlichen deshalb, unter Geflüchteten in Deutschland ein Klima der Angst und das Gefühl der Aussichtslosigkeit zu erzeugen. Afghanische Geflüchtete in Deutschland sollen psychisch zermürbt aufgeben und „freiwillig“ zurückkehren.

Die Verantwortlichen ignorieren dabei ganz offensichtlich die schlechte Sicherheitssituation in Afghanistan und die in diesem Jahr gewachsene Zahl an Opfern. Es ist sehr leicht, Geflüchteten und auch ihren Unterstützern Angst zu machen, aber das ist beschämend!

Als Verein Tür an Tür setzten wir uns seit Jahren für gute Aufnahmeangebote und eine frühe Integration von Geflüchteten ein.

Wir bieten zum Beispiel Sprachkurse für die an, die vorerst keinen Anspruch auf staatliche Integrationsangebote haben. Wir beraten, wenn es um die Anerkennung beruflicher Qualifikationen geht, und wir beraten beim beruflichen Einstieg. Wir unterstützen Geflüchtete dabei, eine soziale und berufliche Zukunftsperspektive zu entwickeln. Wir kennen die Bedingungen für eine Aufenthaltserlaubnis, aber wir treten für faire Einzelfallentscheidungen und großzügige Bleiberechtsregelungen ein. Das gilt besonders für Geflüchtete, die hier schon gut integriert sind. Sie warten lange auf eine Entscheidung in ihrem Asylverfahren und sie leben nach einer zunächst ablehnenden Entscheidung viele Jahre unter sehr schwierigen Bedingungen. Geflüchtete mit einem Ausbildungsplatz und Geflüchtete, die studieren oder in einem Mangelberuf arbeiten, sollen nicht mehr gezwungen werden, zur Nachholung eines Visums in die Heimatländer zurückreisen zu müssen.

Wenn Geflüchtete Petitionen an Parlamente oder die Härtefallkommission richten, dürfen sie nicht abgeschoben werden, bevor ihr Fall entschieden ist. Das verfassungsmäßige Beschwerderecht darf Geflüchteten nicht genommen werden! Eine Abschiebung von Petitionsstellern entmachtet auch deutsche Parlamente und ihre Politiker!

Die aktuelle Flüchtlingspolitik steht oft im Gegensatz zu dem, wofür wir uns einsetzen. Wir befinden uns aktuell in einem bundesweiten Wettbewerb um möglichst hohe Abschiebe- und Ausreisezahlen. Bleiberechtsregelungen und gut begründete humanitäre Entscheidungen im Einzelfall sind in den Hintergrund getreten. Diese Praxis gefährdet Würde und Menschenrechte der Geflüchteten. Sie missachtet das große Engagement in Deutschland in der Arbeit mit und für Menschen in Not!

Heute sind wir hier, um für ein Abschiebestopp zu demonstrieren! Afghanistan ist kein sicheres Land! Die Lebens- und Sicherheitsenteressen afghanischer Flüchtlinge dürfen nicht für wahltaktische Spielchen in Deutschland missbraucht werden!

Keine Abschiebungen nach Afghanistan!